Aus der Sicht eines GmbH-Gesellschafters sollten die nachfolgenden Kriterien kumulativ vorliegen, damit wirklich nichts passieren kann:
- Volleinzahlung aller Stammeinlagen sämtlicher Gesellschafter.
- Keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zur Leistung von Nachschüssen.
- Nicht gegen die Einleitung eines Reorganisationsverfahrens stimmen.
- Änderungen des Gesellschaftsvertrages bedürfen entweder der Einstimmigkeit oder der Zustimmung der jeweiligen (Minderheits-)Gesellschafter.
- Kein kridaträchtiges Verhalten in der Generalversammlung.
- Keine Unterkapitalisierung der Gesellschaft.
- Vermeidung einer unzulässigen Einlagenrückgewähr.
- Keine Bürgschaftsübernahmen für GmbH-Verbindlichkeiten.
- Vorhandensein eines Geschäftsführers.
- Kein Handeln in der Vorgründungsgesellschaft.
- Keine faktische Geschäftsführung.
- Kein Missbrauch der Organisationsfreiheit.
- Keine Verletzung des Prinzips der Trennung des Vermögens der Gesellschaft von jenem der Gesellschafter.
Zu 1. Volleinzahlung aller Stammeinlagen sämtlicher Gesellschafter
Jeder Bilanzbuchhalter wird seine Mandanten darauf hinweisen, dass sie, insbesondere im Falle des gesetzlichen Mindeststammkapitals von € 35.000,00 oder einer vergleichbar geringen Stammkapitalziffer, ihre Stammeinlagen zur Gänze einbezahlen. Die Krux an den – dass sei hier ausdrücklich gesagt – gesetzlich zulässigen ausstehenden Einlagen liegt darin, dass ein Gesellschafter nicht nur für seine Stammeinlagen geradezustehen hat, sondern im Falle der Kaduzierung eines Geschäftsanteiles (so zu sagen als worst case) auch für die Stammeinlagen der Mitgesellschafter.
An dieser Stelle sollte man sich vor Augen halten, was eigentlich Kaduzierung im Sinne der §§ 60 – 66 GmbHG bedeutet: Das Kaduzierungsverfahren stellt sicher, dass jene Haftungsfonds, den die Gesellschafter anlässlich der Gründung den (abstrakten) Gesellschaftsgläubigern versprochen haben, auch im Falle eines säumigen Gesellschafters geleistet wird. Die Kaduzierung kann durch den Gesellschaftsvertrag nicht wirksam ausgeschlossen werden; allerdings kann die Dauer des Fristenlaufes im Zusammenhang mit der Fälligstellung der ausstehenden Einlagen gesellschaftsvertraglich verlängert werden.
Wie funktioniert nunmehr eine Kaduzierung?
- Voraussetzung ist, dass die noch nicht einbezahlten Stammeinlagen durch eine Einlageforderung fällig gestellt werden.
- Der nächste Schritt ist eine sog. qualifizierte Zahlungsaufforderung durch die Geschäftsführung unter Setzung einer Nachfrist und Androhung des Ausschlusses.
- Für den Fall, dass die Nachfrist ungenützt verstreicht, erfolgt eine Erklärung der Geschäftsführung an den säumigen Gesellschafter, dass er aus der Gesellschaft ausgeschlossen wird; der Geschäftsführung steht hierbei kein Ermessen zu. Diese Grundregel führt etwa bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer dazu, dass er seine Zahlungsaufforderung und anschließende Kaduzierung allenfalls auch gegen sich selbst richten müsste.
- Als Rechtsfolge des Ausschlusses verliert der betroffene Gesellschafter sämtliche mit seinem Geschäftsanteil verbundenen Rechte (Herrschaftsrechte, zukünftige Gewinnansprüche, usw.). Demgegenüber bleiben die Ansprüche des ausgeschlossenen Gesellschafters auf jene Gewinne bestehen, für die bereits ein wirksamer Gewinnverwendungsbeschluss der Generalversammlung gefasst wurde.
- Die Haftung für die Einlageforderung besteht beim Gesellschafter fort; die Gesellschaft kann ihre Ansprüche auch klagsweise durchsetzen. Neben dem ausgeschlossenen Gesellschafter haften die übrigen Gesellschafter für den Fehlbetrag (die eben noch nicht einbezahlte Stammeinlage des säumigen Gesellschafters) nach dem Verhältnis ihrer Beteiligungsquoten zueinander. Beträge, die von einzelnen Gesellschaftern nicht erlangt werden können, sind nach dem Verhältnis ihrer Stammeinlagen von den übrigen Gesellschaftern aufzubringen. Konnte der betreffende Geschäftsanteil nicht veräußert werden (das ist der Regelfall!), erwerben die übrigen Gesellschafter im Verhältnis ihrer Stammeinlagen zueinander einen Anspruch auf dem diesen Geschäftsanteilen zufallenden Gewinn- und Liquidationserlös. Das klingt schöner als es ist: Wenn ein Geschäftsanteil nicht verkauft werden kann, ist mit gutem Grunde anzunehmen, dass der Anteil nichts wert ist.
- Der Nachteil von noch nicht einbezahlten Stammeinlagen liegt auch darin, dass selbst ehemalige Gesellschafter (die sich vielleicht von ihrer Gesellschaft auch bereits emotional verabschiedet haben) von der Haftung betroffen sind. Neben einem ausgeschlossenen Gesellschafter haften all seine Vormänner, die innerhalb der letzten fünf Jahre vor Erlassung der Einzahlungsforderung als Gesellschafter im Firmenbuch eingetragen waren. Maßgeblich für die Berechnung dieser 5-Jahresfrist ist der Zeitpunkt der Fälligkeit des Anspruchs der Gesellschaft. Die schlechte Nachricht: die Vormännerhaftung – dieser Begriff lässt sich beim besten Willen nicht gendern – ist zwingend und kann nicht ausgeschlossen werden. Die gute Nachricht: ein früherer Rechtsvorgänger (= Vormann) haftet nur, soweit die Zahlung von dessen Rechtsnachfolger nicht zu erlangen ist.
Beispiel:
Das Stammkapital der XY-GmbH beträgt € 36.000,00 und wurde von den Gesellschaftern mit folgenden Stammeinlagen übernommen:
Name, Geburtsdatum Übernommene Hierauf Beteiligung
Stammeinlage geleistet in %
€ €
Anton Alber, * 9 000,-- 4.500,-- 25
Bernhard Berger, * 9 000,-- 4.500,-- 25
Cäsar Capellari, * 9 000,-- 4.500,-- 25
Dora Daum, * 9 000,-- 4.500,-- 25
36.000,-- 18.000,-- 100
Am 31. August 2012 überträgt Anton Alber seinen Geschäftsanteil zur Gänze an Emil Eder. Im notariell zu errichtenden Abtretungsvertrag findet sich unter anderen folgende Regelung.
„Der abtretende Gesellschafter bestätigt, vom Vertragsrichter über seine subsidiäre Haftung für eine nicht voll geleistete Stammeinlage (§ 67 GmbHG) informiert worden zu sein.“
Drei Jahre später wird die Gesellschaft insolvent. Der Insolvenzverwalter stellt bei den aktuellen Gesellschaftern die Stammeinlagen fällig. Weder die verbleibenden Gründungsgesellschafter Bernhard Berger, Cäsar Capellari und Dora Daum noch der später hinzugetretene Emil Eder sind zahlungsfähig bzw. zahlungsbereit. Der Oberste Gerichtshof hat zwar ausgeführt, dass die Ausfallshaftung der übrigen Gesellschafter auch ohne einem Kaduzierungsverfahren besteht (OGH 13.10.2011, 6 Ob 204/11 = GesRZ 2012, 182), diese Verfahrenserleichterung gilt jedoch dann nicht, wenn Vormänner des säumigen Gesellschafters vorhanden sind und es nicht ausgeschlossen ist, dass die fehlende Stammeinlage (teilweise) von diesem hereingebracht werden kann.
Die Lösung unseres Beispiels sieht also so aus, dass dem ehemaligen Gesellschafter Anton Alber sämtliche Geschäftsanteile der gegenwärtigen Gesellschafter zugeschlagen werden (ob er nun will oder nicht) und er – als mit dieser Kaduzierung verbundene Verpflichtung – sämtliche noch nicht einbezahlte Stammeinlagen (€ 18.000,--) zu leisten hat.
Angesichts der dargestellten Haftungsdramaturgie leuchtet die Empfehlung der Beratungspraxis ein, dass sämtliche Gesellschafter sämtliche Stammeinlagen zur Gänze anlässlich der Gründung (bzw. zeitnah mit dieser) vollwertig leisten. Wenn man sich vor Augen führt, dass diese Stammeinlagen ja kein Kostenfaktor sind, so verwundert es, warum man sich vielerorts dieses Haftungsrisiko überhaupt antut.
Zu 2. Keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zur Leistung von Nachschüssen
Die in den §§ 72 -74 GmbHG geregelte Nachschusspflicht ist eine Besonderheit des österreichischen GmbH-Rechtes, die es beispielsweise in Deutschland nicht gibt. Nachschüsse sind über die Stammeinlagen der Gesellschafter hinaus Beiträge, die nur in Geld bestehen dürfen, die auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage zu leisten sind und für deren Rückzahlung keine formelle Kapitalherabsetzung erforderlich ist. Unter diesem Aspekt dienen Nachschüsse der Gesellschaft als zusätzliche Innenfinanzierung. Kokettiert man mit der Leistung von Nachschüssen, so sind diese im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich zu verankern. Umgekehrt bedeutet das: Enthält der Gesellschaftsvertrag keine Regelungen, so dürfen Nachschüsse nicht eingefordert werden. Dieser Grundsatz gibt den Gesellschaftern auch eine entsprechende Sicherheit, dass nach vollständiger Leistung ihrer Stammeinlagen nichts mehr kommt.
Umgekehrt und da kommen wir zum 3. Punkt des „Persilscheins“, können natürlich auch Nachschüsse – auch gegen den Willen des/der Minderheitsgesellschafter – durch Änderung des Gesellschaftsvertrages vereinbart werden. Die Nachschusspflicht muss zwingend auf einen nach Verhältnis der Stammeinlagen bestimmten Betrag beschränkt werden. Die Angabe eines Höchstbetrages genügt nicht, das Ausmaß der potenziellen Gesamtverpflichtung muss im Voraus bestimmt sein. Die Einzahlung der Nachzahlung ist zwingend von sämtlichen Gesellschaftern nach dem Verhältnis ihrer Stammeinlage zu leisten; insoweit besteht ein Gleichbehandlungsgebot. Voraussetzung für die Nachschussverpflichtung ist ein Einforderungsbeschluss der Gesellschafter.
Nachschussverpflichtungen sind deshalb unangenehm, weil den betroffenen Gesellschaftern üblicherweise zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht klar ist, ob diese Verpflichtung jemals - und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt - schlagend wird. Streng genommen müsste der betreffende Gesellschafter den Höchstbetrag der auf ihn im Verhältnis zu seiner Stammeinlage bestehenden Nachschussverpflichtung immer auf einem Sparbuch parken, um im Falle eines Einforderungsbeschlusses gegen seinen Willen, seinen gesellschaftsvertraglichen Pflichten nachzukommen. Dass eine solche Vorkehrung nicht besonders attraktiv ist, liegt auf der Hand.
Zu 3. Nicht gegen die Einleitung eines Reorganisationsverfahrens stimmen
Diese Haftungsbestimmung zu Lasten der Gesellschafter ist einigermaßen skurril, jedenfalls aber völlig unsystematisch: Die Geschäftsführer prüfungspflichtiger Kapitalgesellschaften sind angehalten (eine ausdrückliche Verpflichtung besteht nicht), im Falle der kumulativen Über- oder Unterschreitung von Kennzahlen (Eigenmittelquote und fiktive Schuldentilgungsdauer) ein Reorganisationsverfahren zu beantragen.
Wenn jetzt ein „schlauer“ Geschäftsführer die Frage ob ein Unternehmensreorganisationsverfahren beantragt werden soll oder nicht, der Generalversammlung zur Beschlussfassung vorlegt und die Gesellschaftermehrheit gegen eine Antragstellung votiert,
- so verlagert sich die Haftung auf jene Gesellschafter,
- die gegen die Antragstellung gestimmt haben,
- wenn innerhalb von 24 Monaten nach dem Zeitpunkt, zu welchem ein Unternehmensreorganisationsverfahren oder eine andere Sanierung einzuleiten gewesen wäre,
- die Gesellschaft in die Insolvenz fällt.
Die Eigenmittelquote ermittelt sich wie folgt:
Eigenkapital (§ 224 Abs. 3 A UGB) + unversteuerte Rücklagen (§ 224 Abs. 3 B UGB)
:
Gesamtkapital (§ 224 Abs. 3 UGB) - Anzahlungen (soweit gem. § 225 Abs. 6 UGB von den Vorräten absetzbar)Die Formel für die Ermittlung der fiktiven Schuldentilgungsdauer lautet:
Rückstellungen (§ 224 Abs. 3 C UGB)
+ Verbindlichkeiten (§ 224 Abs. 3 D UGB)
- im Unternehmen verfügbare Aktiva gem. § 224 Abs. 2 B III Z 2 UGB
(sonstige Wertpapiere und Anteile des Umlaufvermögens) und § 224
Abs. 2 B IV UGB (Kassenbestand, Schecks, Guthaben bei Kreditinstituten)
- Anzahlungen (soweit nach § 225 Abs. 6 UGB von den Vorräten
absetzbar)
:
Mittelüberschuss aus der gewöhnlichen GeschäftstätigkeitDer Berechnung des Mittelüberschusses aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit liegt nachfolgendes Berechnungsschema zu Grunde:
Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit
- auf die gewöhnliche Geschäftstätigkeit entfallende Steuern vom
Einkommen
+ Abschreibungen auf das Anlagevermögen
- Zuschreibungen zum Anlagevermögen
+ Verluste aus dem Abgang von Anlagevermögen
- Gewinne aus dem Abgang von Anlagevermögen
+ Erhöhung der langfristigen Rückstellungen
- Verminderung der langfristigen Rückstellungen
= Mittelüberschuss aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit
Praktiker-Tipp: Wenn in der Generalversammlung über die Folgen einer von der Geschäftsführung vorgelegten Maßnahme keine Klarheit besteht, so möge man sich der Stimme enthalten. Auf diese Art und Weise lassen sich finanzielle Folgen (maximale Haftung nach dem URG pro Kopf: € 100.000,00) vermeiden.
Die Gesellschafterhaftung nach § 25 URG lässt sich daher wie folgt zusammenfassen:
- Haftung jener Gesellschafter, die gegen die Einleitung eines Reorganisationsverfahrens gestimmt oder die Weisung erteilt haben, kein Verfahren einzuleiten.
- Haftung in dem Ausmaß, in dem die Mitglieder des Geschäftsleitungsorgans haften würden.
- Solidarische Haftung (begrenzt mit € 100.000,-- je Gesellschafter).
Zu 4. Änderungen des Gesellschaftsvertrages
Nach der gesetzlichen Regelung genügt für Änderungen des Gesellschaftsvertrages eine ¾-Mehrheit. Ist demnach ein Gesellschafter mit weniger als 26 % beteiligt, so können Änderungen gegen seinen Willen – mit allen damit verbundenen Konsequenzen – beschlossen werden. Die unter Umständen dramatischen Auswirkungen werden anhand des nachfolgenden Beispiels (wie es in der Praxis tatsächlich schon vorgekommen ist) dargestellt:
Das Stammkapital der XY-GmbH ist mit € 100.000,00 vereinbart. A hat Stammeinlagen im Nominalbetrag von € 80.000,00 übernommen (Beteiligung 80 %). B hat Stammeinlagen von € 20.000,00 übernommen (Beteiligung 20 %). A beschließt mit einer Mehrheit von 80 % eine Erhöhung des Stammkapitals von € 100.000,00 um € 900.000,00 auf insgesamt € 1,000.000,00. B stimmt dagegen und ist auch nicht verpflichtet, den auf ihn entfallenden Erhöhungsbetrag von € 180.000,00 (20 % von € 900.000,00) zu übernehmen. In seinem solchen Fall erfolgt die Übernahmeerklärung für den gesamten Erhöhungsbetrag von € 900.000,00 durch A. Die Beteiligung verändert sich sohin auf € 980.000,00 (Gesellschafter A) zu € 20.000,00 (Gesellschafter B). In Prozenten beträgt die Beteiligung 99,8 % zu 0,2 %. Folge dieser geänderten Beteiligungsverhältnisse wäre, dass A nach den Bestimmungen des Gesellschafterausschlussgesetzes B aus der Gesellschaft ausschließen könnte.
Eine Einstimmigkeit bei Vertragsänderungen empfiehlt sich insbesondere dann, wenn nicht sämtliche Gesellschafter die Erhöhungsbeträge im Rahmen einer Kapitalerhöhung bar einzahlen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen