Mittwoch, 21. November 2012

Wann haftet ein GmbH-Gesellschafter nicht? 2. Teil

Im BÖB-Journal 51/12 wurde ausführlich dargestellt, warum Gesellschafter nicht nur für die eigenen Stammeinlagen haften, welche Nachteile bei der Vereinbarung von Nachschüssen im Gesellschaftsvertrag bestehen, wie die Geschäftsführerpflichten nach dem Unternehmensreorganisationsgesetz zu einer konkreten Haftungsgefahr für GmbH-Gesellschafter werden können und was aus Sicht eines Minderheitsgesellschafters bei der Änderung des Gesellschaftsvertrages zu beachten ist. Im heutigen zweiten Teil des Beitrages werden weitere Empfehlungen für ein sorgenfreies Dasein eines GmbH-Gesellschafters erstattet.


Zu 5.    Kein kridaträchtiges Verhalten in der Generalversammlung
Dieser mögliche Haftungstatbestand lässt sich kurz und bündig erklären: Ein GmbH-Gesellschafter, der für einen Gesellschafterbeschluss stimmt, mit welchem dem Geschäftsführer die Unterlassung des gebotenen Insolvenzantrages aufgetragen wird, haftet gegenüber Dritten (OGH 10.12.1992, 6 Ob 656/90). Damit ist eigentlich alles gesagt.


Zu 6.    Keine Unterkapitalisierung der Gesellschaft
Eine qualifiziert Unterkapitalisierung ist dann anzunehmen, wenn
•    eine eindeutige, für die Gesellschafter erkennbare,
•    unzureichende Eigenkapitalausstattung der Gesellschaft vorliegt,
•    deren Misserfolg zu Lasten der Gläubiger
•    bei normalem Geschäftsverlauf mit hoher,
•    das gewöhnliche Geschäftsrisiko mit deutlich übersteigender  Wahrscheinlichkeit erwarten lässt (OGH 30.9.2009, 9 ObA 125/08k; 15.12.1994, 8 Ob 629/92).

Eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen sind bei der Feststellung materieller Unterkapitalisierung grundsätzlich zu berücksichtigen.

Es ist unzulässig eine GmbH mit einem Haftungsfonds so geringen Umfangs auszustatten, dass dieser unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Einnahmenserfüllung der künftigen Gläubiger offensichtlich nicht ausreicht (OGH 6 Ob 1123/06 s). Schon die Gründung einer GmbH mit dem Mindestkapital ist ein Gefahr begründendes Verhalten (So der OGH im Fall einer Tourismusmarketing GmbH mit einem Stammkapital von € 35.000,-- und von den beteiligten Tourismusverbänden aufgebrachten Krediten von etwa € 2.000.000,--; vgl. OGH  29.4.2004, 6 Ob 313/03 b = GesRZ 2004, 379 = wbl 2004, 486 = ecolex 2004, 951 = GeS 2005, 19 = RWZ 2004, 366 = ÖZW 2005, 21.).

Ein höheres Stammkapital als das gesetzliche Mindestkapital von € 35.000,00 ist meines Erachtens bereits ein wesentlicher Hinweis darauf, dass eine solche Unterkapitalisierung nicht vorliegen kann; freilich kommt es – wie immer in der Juristerei - auf eine Einzelfallbetrachtung an.


Zu 7.    Keine unzulässigen Einlagenrückgewähr
Zu diesem Themenkomplex wird auf den Beitrag des Verfassers im BÖB-Journal (Verdeckte Ausschüttungen und unzulässige Einlagenrückgewähr - ein praktischer Überblick über Gefahren und Rechtsfolgen, 1. Teil, 49/12, 40, 2. Teil, 50/12, 53) verwiesen. Das Wesen einer unzulässigen Einlagenrückgewähr lässt sich – vereinfacht – folgendermaßen darstellen:

Die Geschäftsführung gewährt einem Gesellschafter Vorteile aus dem Gesellschaftsvermögen, die weder angemessen noch fremdüblich sind. Konsequenz einer solchen Rechtswidrigkeit ist, dass die Gesellschaft gegenüber dem betreffenden Gesellschafter einen Rückforderungsanspruch hat. Ist eine Rückforderung beim Gesellschafter nicht mehr zu erlangen, so haften die Geschäftsführer; ist auch bei denen kein Regress einforderbar, so haften die übrigen Gesellschafter im Verhältnis ihrer übernommenen Stammeinlagen bis (wahrscheinlich) zur Höhe des Stammkapitals. Wahrscheinlich deshalb, weil es in der Literatur durchaus auch Stimmen gibt, die in Falle einer verbotenen Einlagenrückgewähr die Auffassung vertreten, dass die Gesellschafter unbeschränkt (also über das Prinzip der beschränkten Haftung hinaus) haften.

Eine besondere Form der Einlagenrückgewähr stellt die Downstream-Verschmelzung dar: Bei der Downstream-Verschmelzung wird das Vermögen der übertragenden Muttergesellschaft auf die übernehmende Tochtergesellschaft übertragen. Die von der Mutter an der Tochter gehaltenen Geschäftsanteile werden an die Gesellschafter der übertragenden Körperschaft abgegeben. Eine Verschmelzung downstream ist daher nur dann zulässig, wenn die Tochtergesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge einen positiven Verkehrswert aufweist (OGH 11.11.1999, 6 Ob 4/99 h = SZ 72/172 = JBl 2000, 188 = GesRZ 2000, 25 = ecolex 2000, 121 = RWZ 2000, 47; OGH 25.6.1996, 4 Ob 2078/96 h = SZ 69/149 = JBl 1997, 108 = RdW 1996, 472 = ecolex 1997, 437 = ÖBA 1997, 193 = AnwBl 1997, 300). Bei dieser Beurteilung bleibt jedoch der Wert der Beteiligung an der Tochtergesellschaft außer Betracht. Überträgt demnach die Mutter mehr Verbindlichkeiten als Aktiva auf die Tochtergesellschaft, dann verstößt die Verschmelzung gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr gemäß § 82 Abs. 1 GmbHG.

Die GmbH übernimmt bei derartigen Downstream-Merger-Gestaltungen Verbindlichkeiten von Gesellschaftern, denen keine adäquate Gegenleistung gegenübersteht. Aus diesem Grunde sind sowohl der Verschmelzungsvertrag als auch die Verschmelzungsbeschlüsse nichtig. Werden im Zusammenhang mit der Verschmelzung gesellschaftsrechtliche Begleitmaßnahmen ergriffen, wie z.B. eine ordentliche Kapitalherabsetzung bei der übernehmen Gesellschaft, wäre die Verschmelzung zulässig.


Zu 8.    Bürgschaftsübernahme für GmbH-Verbindlichkeiten
Vorweg: Es ist insbesondere bei Familiengesellschaften vielfach nicht zu vermeiden, dass Gesellschafter für Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber der Bank oder sonstigen Dritten eine Haftungserklärung abgeben. Solche geschäftlichen Gepflogenheiten sind auch nichts Unanständiges. Man sollte sich jedoch vor Augen halten, dass in einem solchen Fall das Prinzip mit beschränkter Haftung durchbrochen wird, weil durch die Ausfallshaftung gegenüber der Bank der/die betreffenden Gesellschafter eine Erfolgshaftung haben. Wenn die Gesellschafter unvermeidbarer weise eine Solidarhaftung zu übernehmen haben, so ist man im Verhältnis zur Bank dem Haftungssystem einer offenen Gesellschaft schon sehr nahe.


Zu 9.    Vorhandensein eines Geschäftsführers
Die Gesellschafter sind verpflichtet, Geschäftsführer in der erforderlichen Anzahl zu bestellen. Diese Verpflichtung wird insbesondere dann schlagend, wenn der letzte Geschäftsführer – aus welchen Gründen auch immer – seinen Rücktritt erklärt. Man sollte freilich meinen, dass es nicht so schwierig sein kann, geeignete Geschäftsführer zu finden, die Praxis zeigt ein anderes Bild: Häufig lässt sich ein Geschäftsführer deshalb nicht finden, weil die Gesellschafter untereinander zerstritten sind, die Gesellschaft in wirtschaftlicher Hinsicht insolvenzgefährdet ist und die Bedingungen für die Übernahme der Funktion schlichtweg unattraktiv sind.

Das Firmenbuchgericht kann Zwangsstrafen gegenüber GmbH-Gesellschaftern erlassen, wenn sie ihrer Verpflichtung nicht nachkommen, Geschäftsführer in der erforderlichen Anzahl zu bestellen. In Deutschland geht man einen Schritt weiter: hier ist der Mehrheitsgesellschafter einer „geschäftsführerlosen“ GmbH sogar zur Insolvenzantragstellung verpflichtet. Aber auch hierzulande ist eine Haftung des Mehrheitsgesellschafters zu bejahen, wenn durch die schuldhaft unterlassene Geschäftsführerbestellung einem Dritten ein Vermögensschaden erwächst.


Zu 10.    Kein Handeln in der Vor-(Gründungs-) gesellschaft
Bis zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages ist die (ins Auge gefasste) GmbH als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu qualifizieren. Diese einzige im ABGB geregelte Gesellschaftsform ist gekennzeichnet durch eine Anteilshaftung, die durch die Lehre und Rechtsprechung faktisch zu einer unbeschränkten solidarischen Haftung aller (bekannten) Gesellschafter stilisiert wurde.

Von einer Vorgesellschaft wird hingegen im Zeitpunkt zwischen der Errichtung des Gesellschaftsvertrages und der Eintragung des Rechtsträgers im Firmenbuch gesprochen. Die Vorgesellschaft ist insb. dadurch gekennzeichnet, dass die GmbH zwar entstanden ist, mangels Firmenbucheintragung jedoch einem Dritten nicht bekannt ist, wer tatsächlich zum Geschäftsführer bestellt ist. Um diesen berechtigten Besorgnissen vorzukehren, sieht § 2 Abs. 2 GmbHG entsprechende gesetzliche Haftungsregelungen vor: wenn ein Gesellschafter (ohne Geschäftsführer zu sein) vor Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch für diese handelt, der haftet – selbstverständlich nur, wenn irgendjemandem dadurch ein Schaden entstanden ist.  


Zu 11.    Keine faktische Geschäftsführung
Eine faktische Geschäftsführung, die in haftungsrechtlicher Hinsicht mit einem im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführer gleichzusetzen ist liegt dann vor, wenn Gesellschafter (selten auch Dritte) auf die Leitung der Gesellschaft maßgeblichen Einfluss nehmen. Was maßgeblich ist und was nicht, kommt naturgemäß auf den jeweiligen Einzelfall an. Eine faktische Geschäftsführung ist jedenfalls zu bejahen, wenn der betreffende Gesellschafter die Konten der Gesellschaft führt und in seinem Handeln von einem im Firmenbuch eingetragenen organschaftlichen Vertreter nicht (mehr) zu unterscheiden ist. Wie sagt doch der OGH ganz lapidar: Auch der faktische Geschäftsführer haftet wegen Konkursverschleppung (OGH 23.2.2009, 8 Ob 108/08b, OGH 17.12.2007, 8 Ob 124/07d).


Zu 12.    Missbrauch der Organisationsfreiheit
Vorab: Das, was im restlichen Teil dieses Beitrages kommt, hat eher „exotischen“ Charakter und kommt bei kleinen und mittelständischen GmbH´s eher nicht vor. Es geht allerdings darum, kritisch das System der beschränkten Haftung zu hinterfragen. Die Existenzvernichtungshaftung betrifft die Haftung der Gesellschafter für Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen (etwas salopp formuliert, könnte man die Existenzvernichtungshaftung im Hinblick auf ihre Folgewirkungen als ein juristisches Überziehen der übertragenden Sanierung bezeichnen) durch Entnahmen, wenn sie eine angemessene Rücksichtnahme auf die Erhaltung der Fähigkeit zur Bedienung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft vermissen lassen (vgl. hierzu grundlegend  BGH 17.9.2001, BGHZ 149, 10 („Bremer Vulkan“). Der Eingriff der Gesellschafter hat die Insolvenz der alten herbeigeführt. Nach neuer Auffassung des BGH II ZR 3/04 ist die Existenzvernichtungshaftung eine reine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft.

Beim Missbrauch der Leitungsmacht geht es um besondere Sorgfaltspflichten der Gesellschafter (speziell im Konzern), wenn es zur Verlagerung der Geschäftsführungsentscheidungen auf die Gesellschafterebene kommt (grundlegend hierzu die „Eumig“-Entscheidung, OGH 14.7.1986, 1 Ob 571/86 = SZ 59/132 = JBl 1986, 713 = GesRZ 1987, 46 = RdW 1986, 336). Aus diesem Grund kann auch ein Gesellschafter wegen Verletzung der Konkursantragspflicht zur Haftung herangezogen werden.


Zu 13.    Keine Verletzung des Prinzips der Trennung des Vermögens der Gesellschaft von jenem der Gesellschafter
Eine Haftung wegen Vermögensvermischung wurde vom OGH anerkannt, aber nicht näher konkretisiert (vgl. hierzu aber BGH 13.4.1994 II ZR 16/93: Die Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen ist durch eine undurchsichtige Buchführung oder auf andere Weise verschleiert worden, sodass die Kapitalerhaltungsvorschriften, deren Einhaltung ein unverzichtbarer Ausgleich für die Beschränkung der Haftung des Gesellschaftsvermögens ist, nicht funktionieren).

Beim Rechtsformmissbrauch ist strittig, ob es sich überhaupt um eine eigene Kategorie handelt (OGH 20.4.1978, 6 Ob 789/77 = RIS-Justiz RS0009098). Der Grundgedanke des Begriffes der Durchgriffshaftung liegt darin, dass sich niemand der Rechtsform einer juristischen Person zu dem Zweck bedienen darf, Dritte zu schädigen oder Gesetze zu umgehen. Wird eine Durchgriffshaftung schlagend, so kommt für den betroffenen Gesellschafter das Schutzschild der Gesellschaft mit beschränkter Haftung erst gar nicht zum Tragen.

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