Neben
den Gläubigern haben vor allem Banken ein wesentliches Interesse daran,
so rechtzeitig von der Krise zu erfahren, dass sie durch geeignete
Maßnahmen einen Ausfall von Forderungen bei einer möglichen Insolvenz
ihres Schuldners verhindern können.
Von erheblicher Bedeutung für Kreditinstitute sind Krisenanzeichen,
die sich aus der Kontoführung und aus der sonstigen unmittelbaren
Geschäftsbeziehung erkennen lassen.
Solche Indizien sind einerseits von besonderer Aussagekraft, wenn die durch die Krise bedrohte GmbH den gesamten oder überwiegenden Teil ihres Zahlungsverkehrs über die Konten der betreffenden Bank abwickelt. Andererseits handelt es sich dabei um Erkenntnisse, die das kontoführende Kreditinstitut ohne besonderen Aufwand gewinnen kann.
Krisenanzeichen aus Kreditverhältnissen. Als solche klassischen Krisenanzeichen unmittelbar aus dem Kreditverhältnis und der Kontoführung kommen vor allem in Betracht:
•Verminderung des Kontoumsatzes
•Häufige Kontoüberziehung
•Auftreten eines unerwarteten Kreditbedarfs
•Zahlungen an Rechtsanwälte und Inkassobüros
•Abweichungen zwischen angekündigten sowie tatsächlichen Zahlungseingänge und -Ausgänge
Krisenanzeichen aus dem Jahresabschluss. Als Krisenanzeichen, die sich aus der Vorlage und Auswertung der Jahresabschlüsse sowie der damit in Zusammenhang stehenden Informationen erkennen lassen sehen wir vor allem
•Verzögerungen bei der Einreichung von Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Statuszahlen oder Inventuren
•Unklarheiten in der Buchhaltung
•Verschiebungen im Bilanzierungszeitpunkt, insb. zur Schaffung unterschiedlicher Bilanzierungszeitpunkte bei Mutter- und Tochtergesellschaften
•Fehlendes oder eingeschränktes Testat des Wirtschaftsprüfers
•Fehlende Bilanzunterschrift oder Weigerung der Vorlage einer unterzeichneten Bilanz im Original
•Abweichungen zwischen vorläufigen und endgültigen Zahlen
•Verringerung von Investitionen
•Steigende Vorräte ohne Erhöhung der Außenstände
•Hohe Forderungen gegen verbundene Unternehmen
•Abzug von Gesellschafterdarlehen
•Auflösung von Reserven (Wertberichtigungen, Rückstellungen, Rücklagen)
•Aufdeckung stiller Reserven
•Umbuchungen von Posten des Umlaufvermögens in das Anlagevermögen
Praktische Erkenntnisquellen. Banken haben auch die Möglichkeit, Einblick in den betrieblichen Bereich ihres Kunden zu nehmen; dies erfolgt üblicherweise bei Kundenbesuchen und der Überprüfung von Sicherheiten. Wird diesen Erkenntnisquellen besondere Aufmerksamkeit gewidmet, können aus folgenden Anzeichen Rückschlüsse auf eine drohende oder bereits eingetretene Krise getroffen werden:
•Verschiebung von Bankgesprächen sowie Terminen für die Überprüfung von Sicherheiten
•Rückgang des Sicherheiten Wertes beim Umlaufvermögen, Abweichungen zwischen den Bestandsmeldungen und dem bei der Sicherheiten Prüfung festgestellten bestand des Sicherungsgutes
•Fehler im Management
•Überraschender Austausch der Geschäftsführung (insb. durch offensichtlich nicht qualifizierte Personen
•Verlegung des Unternehmenssitzes, insb. unter Änderung der Firma
•Fehlerhafte Geschäftspolitik und Markteinschätzung
•Unzureichende Konzeption des internen Kontrollsystems
•Hoher Personal- und Sozialaufwand, unqualifizierte Mitarbeiter, hoher Fluktuationsgrad, fehlende Motivation der Mitarbeiter
•Mängel im Einkauf, in der Lagerhaltung, Produktion und Absatz
•Umsatzrückgänge, Absatzeinbußen aufgrund falscher Produkt-, Preis- und Sortimentspolitik
•Ausfall von Forderungen, Verluste im Betrieb, aus Beteiligungen und Bürgschaften
•Mangelnde Kapazitätsauslastung, unrationelle Produktion, veraltete Anlagen, schlechte Materialwirtschaft, fehlende Qualitätskontrolle
•Unzureichender Versicherungsschutz
•Gesellschafterstreitigkeiten
Kreditinstitute können auch aus den Geschäftsbeziehungen ihres Kreditnehmers zu seinen Lieferanten, Kunden und anderen Banken bedeutende Erkenntnisse gewinnen. Für die Kredit gewährende Hausbank erkennbare Krisenzeichen in diesen Bereichen sehen wir insbesondere
a) im Bereich der Lieferanten durch
•Verschärfung der Liefer- und Zahlungsbedingungen (z.B. durch Vorauskassa)
•Ausdehnung des Lieferantenkreises,
•Reklamationen gegenüber den Lieferanten, usw.
b) im Bereich der Kunden durch
•Abhängigkeit von wenigen Abnehmern,
•Zahlungsverzögerungen und Insolenz im Kreis der Abnehmer.
c) im Bereich der (anderen) Banken durch
•Umschuldungsabsichten für Kredite anderer Banken
•Kreditkündigungen
•Kreditsicherungen zugunsten anderer Banken
•Aufnahme weiterer Bankverbindungen
Notwendigkeit einer Gesamtbetrachtung. Eines sollte klar sein: keines der oben angeführten Krisenanzeichen bietet für sich alleine die verlässliche Erkenntnis, dass bei der GmbH als Kreditnehmerin tatsächlich eine wirtschaftliche Krise vorliegt, die Gesellschaft wo möglich unmittelbar vor einer Insolvenz steht und damit ein Kreditausfall zu befürchten ist. Für die meisten der genannten Anhaltspunkte kann es auch andere Erklärungen als für eine bevorstehende Krise geben. Nur eine Gesamtbetrachtung aller verfügbaren Informationen über das Unternehmen lässt einigermaßen verlässliche Rückschlüsse über eine allfällige kritische Entwicklung zu.
Informationsmanipulation? Diese (vorläufige) Beurteilung wird aber noch dadurch erschwert, dass angesichts der wesentlichen Bedeutung der Bankverbindung und der gewährten Bankkredite für die Vermeidung oder Überwindung einer Krise die Geschäftsführung häufig besonderes Augenmerk darauf richtet, dass die Krisenanzeichen möglichst verborgen bleiben. Um die bisherigen Kreditlinien nicht zu gefährden oder die Banken (sogar) zu weiteren Krediteinräumungen zu veranlassen, neigen vor allem die Geschäftsführer (-Gesellschafter) klein- und mittelständischer GmbHs dazu, gegenüber den Banken ihre wirtschaftlichen Verhältnisse besser darzustellen als sie es tatsächlich sind.
Schlussfolgerung. Unserer Erfahrung zur Folge kommt es gar nicht so selten vor, dass um Kreise der Geschäftspartner die wirtschaftliche Krise einer GmbH schon seit Monaten bekannt ist, während dieser Umstand den Banken verborgen bleibt, weil die Gesellschaft als Kreditnehmerin ihre Verpflichtungen aus dem Kreditverhältnis penibel auf Punkt und Beistrich erfüllt. Aus diesem Grunde haben die Banken im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern im Regelfall keinen Informationsvorsprung.
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